“Objectives and key results are the yin and yang of goal setting.”
John Doerr
Wenn ich einen Roman lese dann fange ich meistens vorne an und höre hinten auf. Oder ich lege ihn nach einer Weile weg, weil er mir nicht gefällt. Bei Sachbüchern ist es meist anders: Da lese ich rein, lese weiter oder blättere zu spannenderen Kapiteln und hoffe auf die Essenz. Das ist sicher auch ein Grund warum Dienste wie GetAbstract mittlerweile so erfolgreich sind – man spart sich gleich die Mühe selber die Essenz zu suchen.
Bei Measure What Matters ist das dagegen ganz einfach. Venture Capitalist und Google-Förderer der ersten Stunde John Doerr liefert mit seinem Buch den perfekten Mix zwischen „durchblättern“ und „durchlesen“. Neben einem langen, respektvollen Liebesbrief an den mittlerweile verstorbenen, legendären Intel-Chef Andy Grove und Grundlagen zu OKRs arbeitet er vor allem mit Use-Case-Berichten aus der Praxis von bekannten Unternehmen wie Google, Adobe, Unternehmern wie Bill Gates, Sundar Pichai oder Musikern wie Bono.
Entsprechend konsequent heißt das Buch im Englischen auch „Measure What Matters: How Google, Bono, and the Gates Foundation Rock the World with OKRs”. Show and Tell. Fehlt vielleicht noch „4 Fakten, warum…“ für den finalen Click-/Sales-Bait.
Wer das Buch im Deutschen sucht wird es unter „OKR: Objectives & Key Results: Wie Sie Ziele, auf die es wirklich ankommt, entwickeln, messen und umsetzen“ – lieber Sachtext verliebt, als verkaufend. Dabei ist das Buch – zumindest im Englischen – so nicht geschrieben. Es ist gut zugänglich, nah an der Praxis und mit Beispiel gespickt.
John Doerrs “OKR: Objectives & Key Results” ist kein Erklär-Sachbuch
Und gerade weil es viele Fall-Studien mit O-Tönen bringt lädt es dazu ein, auch einfach mal weiter zu blättern. Wem das erste Drittel mit den ganzen guten Intel-Zeiten aus den 70gern zu viel ist, der ist sicher besser in den Firmenberichten aufgehoben. Das ist auch nicht verkehrt, denn wenn das Buch eins nicht tut, dann ist es zu 100% zu erklären, was OKRs eigentlich sind.
John Doerr nimmt das Wissen hier als gegeben hin. Für ihn gibt es nicht die Frage, ob man weiß das es diese Management-Methode mittlerweile gibt.
Damit ist das Buch ein Stückweit auch eher für (werdende) Unternehmer oder Führungskräfte geschrieben: Ein Pitch für den Einsatz der Methodik und die Möglichkeiten, denn OKRs sind doch glasklar, einfach, brillant und können von jedem angewendet werden.
Aber sagt das am Ende nicht schon Ökonom und Erfinder des „Führen durch Zielvereinbarung“ oder MbOs Peter Drucker in den 50gern von seinem Modell?
Am Ende sind OKRs die konsequente Weiterentwicklung: Immer mit dem Ziel schneller, besser ans Ziel zu kommen und dabei Firma, Führungskraft und Mitarbeiter zu befähigen. Probleme gibt es immer dann, wenn das nicht sauber klappt und Firmen am Ende lieber mit dem Buzzword spielen, als die Methode zu leben.
Das sehen wir sehr gut in allen Trendbereichen, wo Agilität (auch hierbei sollen OKRs helfen) gepredigt wird: Ich habe wirklich selten so ein Missverständnis zwischen Lehren und Praxis gesehen wie beim Hype-Thema Agilität. Jeder will es, die wenigsten können es.
Spannende Cases: Vom Startup, über den Weltkonzern Google bis zum Non-Profit von U2s Bono
Und auch darum geht es – wenn auch am Rande im Buch – den fast jeder Case zeigt auch auf, das allein der Wille zum Einführen von OKRs nicht reicht. Auch wenn alle Fallbeispiele sich rühmen, die Methode sauber zu leben: So sagen auch genug: „Es hat nicht gleich geklappt.“ Oder „Wir haben es nicht richtig verstanden, bevor..“
Aber auch Selbstkritik und richtiges Einführen schützt vor Scheitern nicht: „Zume Pizza“ scheint es zumindest in seiner jetzigen Form als Startup nicht geschafft zu haben. Freilich dürfte dabei eher die Firmenidee Pizzas per Roboter zu verkaufen ausschlaggebender gewesen sein als die Nutzung von OKRs.
Zusammenfassung: Für wen ist John Doerrs OKR: Objectives & Key Results geschrieben?
Wer sich also durch echte Fälle und einen sehr persönlichen Pitch zum Thema OKR von John Doerr arbeiten will, der ist bei diesem Buch richtig. Wer eine Abhandlung und ein klares How-To-Werk zum Thema OKR erwartet, der ist falsch.
Was nicht heißt, das es nicht mehr Informationen und Quellen gibt: Doerr lässt im letzten Teil mehr als genug Platz für Quellen und Hinweise und fasst nochmal die wesentliche Punkte von OKR zusammen. Das Ziel ist wohl klar: Menschen von der Methode überzeugen und beweisen, das sie funktioniert.
Die „langweilige“ Sachebene, wie das nun im Unternehmen funktionieren mag, überlässt Doerr anderen Autoren für ihn zählt die Passion am Thema OKR: Egal ob beruflich oder privat, so die Botschaft – jeder kann Management bei Objectives and Keyresults.
Am Ende kann ich sagen, das Buch ist ein guter, für mich kurzweiliger Ausflug in die Historie der OKRs und Praxis-Beispiele gewesen. Und damit vor allem eine Unterstützung im Kopf: Wie nutzen andere OKRs, was kann ich daraus lernen und wie bringt es mich in meiner täglichen Arbeit oder im privaten Umfeld weiter? Spoiler: Nein, ich habe nicht mein privates KanBan-Board direkt weggeworfen und gegen eine lange OKR-Liste mit Timelines und Visionen eingetauscht. Kommt vielleicht noch.
Das Buch: OKR: Objectives & Key Results
Zum Weiterlesen: Googles Re:Work erklärt OKRs.